Donnerstag, 7. März 2019

Alternativtrasse - „Ohne zeitnahe Planung verliert das Tal den Welterbe-Status“

Die Initiativen sowie Forderungen von Herrn Minister Lewentz, das Mittelrheintal mittelfristig per Alternativtrasse von den hohen Belastungen des Bahnlärms zu befreien, ist nicht nur richtig, sondern dringend geboten und muss die erste Priorität in der Verkehrsinfrastruktur des Rheintals haben. Dies kann nur mit einer Alternativtrasse für den Güterverkehr erreicht werden.

Wenn man heute von 400 bis 500 Zügen spricht, davon 60 Prozent Güterzüge, die durch das Rheintal Tag und Nacht rattern, dann ist dies eine unerträgliche Situation. Die Messungen des Zugverkehrs wurden Mitte Juli 2007 über 23 Stunden mit folgendem Ergebnis durchgeführt: Auf beiden Rheinseiten fuhren insgesamt 398 Zugeinheiten. Davon 217 Güterzüge und 181 Personenzüge dies nicht nur in den Tagstunden, sondern davon nachts 91 Güterzüge; die mit mehr als 85 bis 100 dB(A) Lärm das Rheintal belasten. Eine Zumutung für die Menschen die im Rheintal leben und Touristen, die das Tal Jahr für Jahr besuchen.

Nach Öffnung des neuen Gotthardtunnels für den Zugverkehr in Richtung Italien wird sich laut Aussagen der Experten von Fachbüros der Güterverkehr zwischen Rotterdam und Genua durch das Rheintal bis 2030 schrittweise verdoppeln. Alle bisherigen Lärmschutzmaßnahmen können die Probleme für die Zukunft bei einer Zunahme des Güterverkehrs um 100 Prozent, also ca. 434 bis 450 Züge, im Rheintal nicht lösen.

Hinzu kommt, dass die Güterzüge im Fernverkehr zukünftig laut einer Studie mit längeren Wagen ausgestattet und angeboten werden und dadurch eine Zuglänge von 800 bis 900 Metern möglich wird. Experten geben auch ergänzende Hinweise, dass sich der Frachtverkehr auf dem Rhein ebenfalls bis 2030 verdoppeln wird.

Aufgrund dieser Entwicklung wird es keinen Platz mehr für einen geordneten und verbesserten Personenverkehr geben. Auch die Zugfolge wird sich erheblich reduzieren. Keine Regierung reagierte bisher auf diese Entwicklung.

Bis heute war es zum Beispiel nicht möglich gewesen, den schienengleichen Bahnübergang in Rüdesheim zu beseitigen. Bei einer Zunahme des Zugverkehrs und kürzeren Zugfolgen wird es kaum noch möglich sein, ohne sehr lange Wartezeiten die Bahnlinie an der B 42 kreuzen zu können.

Bei dem Ist-Zustand und den Prognosen der Fachbüros kommt nun zunächst die Mitteilung des CSU-Verkehrsministers Scheuer, dass über die Planung einer Alternativtrasse erst dann nachgedacht und entschieden werden kann, wenn der Zugverkehr auf den Bahnlinien im Rheintal 5000 und mehr Züge in 24 Stunden erreicht. Wenn Gutachter und Ministerialbeamten einen solchen Unsinn zu Papier bringen, gehört diese Studie in den Reißwolf.

Nachdenklich war ferner der neue Hinweis, der drei Tage später in der Presse erschienen ist, dass die Wirtschaftlichkeit einer Alternativtrasse doch schon bei 1000 Güterzügen gegeben sei. Die Frage ist daher berechtigt, welche „Fachleute oder Experten“ dort ihre Arbeit verrichten und wer der Presse diese Papiere zugespielt hat? Für das enge Rheintal zwischen Köln und Mainz als internationale Verkehrsachse Nord–Süd ist aber sofortiges Handeln geboten, da allein die Planungen für solche Großprojekte 20 bis 25 Jahre in Anspruch nehmen.

Jetzt, so die Aussage des Ministeriums, „wird zunächst ein Vorplanungsprozess in Auftrag gegeben“. Es ist nicht realistisch, ein Raumordnungsverfahren bis 2040/2045 zu erwarten. Sofern zeitnah keine Planung in Auftrag gegeben wird, dann wird das Mittelrheintal nicht nur den Status Unesco-Welterbe verlieren, sondern viele Bürger und vor allem die Touristen werden sich vom Rheintal abwenden. Da hilft uns weder eine Brücke noch eine Bundesgartenschau 2029.

Rolf Daum, St. Goarshausen

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom Donnerstag, 7. März 2019, Seite 19