Stellungnahme zum Beschluss 34 COM 7B.87 (vorläufig) des UNESCO-Welterbekomitee zum Oberen Mittelrheintal aus Anlass der Planung einer festen Rheinquerung (Brücke/Tunnel) bei St. Goar/St. Goarshausen.
Nach einer Pressemitteilung des Rheinland-Pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 29. Juli 2010 hat das UNESCO-Welterbekomitee auf seiner Sitzung am 28. Juli 2010 in Brasilia „den Weg für eine Brücke am Mittelrhein frei gemacht“ und „grünes Licht gegeben“. Zur Bestätigung wurde auf den vorläufigen Beschlusstext verwiesen.
Der Rheinland-Pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und sein Verkehrsminister Hendrik Hering ließen dazu mitteilen, dass „durch diesen Beschluss die noch ausstehende und wesentliche Frage der Welterbeverträglichkeit zur Fortführung der weiteren Planungsschritte beantwortet wurde“.
Das Welterbekomitee teile demnach die Auffassung der Landesregierung, dass die Brücke am geplanten Standort bei Fellen/Wellmich visuell akzeptabel sei und damit dem „Außergewöhnlichen Universellen Wert“ der Welterbestätte entspräche.
Diese Darstellung des Beschlusses vom 28. Juli 2010 durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz wurde ausführlich in den nationalen Medien berichtet und zum Teil positiv kommentiert. Allerdings zeigten sich – eingedenk des Konfliktes um den Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden – alle verbundenen Fachwissenschaften genauso wie weite Teile der Öffentlichkeit und der Medien überrascht. Denn danach würden hier für dem Grunde nach vergleichbare Sachverhalte einander widersprechende Bewertungen gegeben. In verschiedenen Äußerungen wurde daher die Glaubwürdigkeit des UNESCO-Welterbekomitee bzw. des Welterbeprogramms in Frage gestellt.
Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Welterbes und seiner in jeder Hinsicht leitenden Funktion als Vorbild für den Schutz und Erhalt des kulturellen und natürlichen Erbes in seiner Gesamtheit schauen wir auf die zurückliegenden Debatten und die in Aussicht genommene Brücke durch das Mittelrheintal mit großer Sorge. Die nächsten Schritte drohen eine falsche Richtung zu nehmen. Das Welterbe wie auch der erforderliche gesellschaftliche Diskurs könnten dadurch Schaden nehmen. Als Fachverbände und Organisationen der Zivilgesellschaft nehmen wir daher nach Einsichtnahme in den vorläufigen Beschluss und dessen nunmehr vorliegende ausführliche Begründung wie folgt Stellung:
- Mit dem Beschluss 34 COM 7B.87 zum Welterbe Oberes Mittelrheintal gibt das UNESCO-Welterbekomitee keine Freigabe für den Bau einer Brücke zwischen St.Goarshausen-Wellmich und St.Goar-Fellen. Eine Welterbeverträglichkeit dieser Planung wird nicht erklärt.
- Die Brückenvarianten haben graduell unterschiedliche negative Umweltauswirkungen, sind aber absehbar alle problematisch für die historische Kulturlandschaft [Rand-Nummer/RN 34; 7 bis 9].
- Das Welterbekomitee schließt sich den Aussagen der Visualisierungsstudie der RWTH Aachen nicht an, sondern lässt mit einem Bedingungssatz – in dem nur an dieser Stelle der Entscheidung genutzten Sprachmodus des Konjunktiv II „Irrealis“ („if, than could be“; „wenn, dann könnte es sein“) – deutliche Zweifel erkennen, dass die Brückenlösungen akzeptabel sind [RN 36]. Aus der Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt sich nach übereinstimmender Auffassung des UNESCO-Welterbezentrums wie auch der beratenden Organisationen (ICOMOS; IUCN), dass die beiden Projekte einer Hoch- und einer Tiefbrücke bei St. Goar vollkommen untragbar sind [RN 24/S. 1; 34; vgl. 7/S. 2], während das dritte Brückenprojekt zwischen Fellen und Wellmich lediglich im Vergleich dazu besser bewertet wird [RN 7/S. 5].
- Nach derzeitigem Sachstand ist für den Bereich des bevorzugt geplanten Brückenstandortes bei Fellen/Wellmich der besonders wichtige „Outstanding Universal Value“ bedroht [RN 24]. Dieser Talabschnitt wird als integrativer Bestandteil einer insgesamt empfindlichen Rheintallandschaft gesehen [RN 24/Sätze 6 u. 7]. Er kann nach derzeitigem Kenntnis- und Sachstand nicht minder gewichtet oder aus dem Schutzgebiet entlassen werden, ohne den Status des gesamten Welterbes zu gefährden [RN 24/Satz 4]. Entsprechende Bestrebungen im Gutachten der RWTH Aachen die Kriterien des Welterbes aufzuweichen werden zunächst freundlich als Vorschlag beschrieben [RN 16; 24], letztlich aber als Versuch der „Suggestion“ zurückgewiesen [RN 25]. In diesem Zusammenhang bestätigt das Welterbekomitee, dass die Einstufung des Welterbes als eine „sich entwickelnde Kulturlandschaft“ ein Veränderungspotential beinhaltet, wie es im Gutachten der RWTH Aachen hervorgehoben wird [RN 25/S. 1]. Dies wird allerdings als eine Verpflichtung zur Entwicklung im Einklang mit dem Welterbe gesehen, dessen Merkmale geschützt werden müssen [RN 25/S. 2].
- Im Gegensatz zu den Brückenlösungen wird in der Umweltverträglichkeitsprüfung der Einfluss der ebenfalls untersuchten Tunnel-Option auf das Landschaftsbild als eher moderat bewertet [RN 7/S. 2; 9/S. 1].
- Die Fährverbindungen sind nicht in die Umweltfolgenabschätzung einbezogen worden [RN 5].
Ihre Gesamtkosten sollen laut Verkehrsanalyse denen einer Tunnellösung entsprechen [RN 14/S. 3]. - Insgesamt stellt das Welterbekomitee klar, dass die Bevorzugung der Brückenlösung durch das Land Rheinland-Pfalz lediglich aus rein wirtschaftlichen Erwägungen erfolgt [RN 35; 13/S. 1; 14/S. 3 u. 4].
- Der allgemeine, vom Straßen- und vom Schienenverkehr ausgehende Lärmpegel wird mit Hinweis auf den Beschluss 33 COM 7B.104 aus dem Vorjahr wiederholt kritisiert und als Besorgnis erregend beschrieben [RN 26/S. 4; 31]. In diesem Zusammenhang macht
das Welterbekomitee auf den mit einer Brücke einhergehenden steigenden Kraftfahrzeugverkehr und damit verbundenen zusätzlichen Lärm und Verschmutzungen aufmerksam. Diese Folgen sieht es im Widerspruch zu ehrgeizigen Plänen, die terrassierten und das Landschaftsbild strukturierenden Weinberghänge wiederherzustellen [RN 26/S. 3]. - Vor dem Bau einer Brücke (oder eines Tunnels) ist ein Masterplan vorzulegen, in dem alle Maßnahmen(Bausteine) offen gelegt werden sollen, die für die zukünftige Entwicklung des Welterbes erforderlich und angedacht sind [RN 23; 26/S. 2; 37]. Der Masterplan soll für eine nachhaltige Entwicklung ein Leitbild für die nächsten Jahrzehnte aufzeigen [RN 39].
- Für den Verlauf des mit der Entwicklung des Masterplans verbundenen Planungsprozesses erwartet das Welterbekomitee eine Fortsetzung des engen Dialogs mit dem Vertragsstaat, der im Übrigen in seinem bisherigen Verlauf positiv gewürdigt wird. Hier geht es um die Entwicklung eines Gesamtkonzepts für alle notwendigen Maßnahmen (vgl. Regionalplan RROP 2006) Hier ist allerdings besonders zu betonen und Missverständnissen entgegenzuwirken, dass sich der Begriff des „Planungsprozesses“ in Punkt 5.2 des Beschlusses nur sehr bedingt – wenn überhaupt – auf die Brücke bezieht, sondern, zumal andere Planungsprozesse im Beschluss nicht genannt werden, auf den „Masterplan“ aus Punkt 5.1 [RN 37-38]. Punkt 6. zeigt eindeutig, dass hier eine Abfolge der Planungsprozesse für den Masterplan und nachfolgend eine konkrete Brückenplanung vorgesehen ist [RN 39; vgl. RN 26/S. 1]. Für die Vorlage eines ersten Entwurfs des Masterplans an das Welterbekomitee ist ein Termin bis zum 1. Februar 2011 gesetzt worden [RN 41; vgl. Richtlinien § 169].
In Bezug auf den noch ausstehenden Managementplan geben wir weiter zu bedenken:
- Mit dem Management- bzw. Verwaltungsplan (§ 78 Richtlinien) fordert das Welterbekomitee eine Beschreibung der Maßnahmen und Schutzinstrumente, mit denen „der außergewöhnliche universelle Wert eines Gutes erhalten werden kann, vorzugsweise durch Beteiligung der Bevölkerung“ (§
108 Richtlinien). - Bezugnehmend auf den Managementplan und ggf. auch ein Raumordnungsverfahren ist auf die vom Welterbekomitee geforderte „Erklärung zum Outstanding Universal Value (OUV)“ hinzuweisen, für die ein Entwurf vorliegt [RN 16; 40].
- Managementpläne der UNESCO sind im nationalen deutschen Rechts- und Planungssystem (noch) nicht vorgesehen, sondern bedürfen der Integration in andere Planungen, z.B. in einen Regionalplan. Hier sind gemäß der „Erklärung zum OUV“ die Erhaltungsziele festzulegen, die bei Planungen verbindlich zu beachten sind. Wie diese Integration erfolgen soll, ist in Verbindung mit den Schutzinstrumenten und vorgesehenen Verwaltungsverfahren im Managementplan darzustellen (vgl. Art. 5,d Welterbekonvention).
- Das Erfordernis eines Managementplans ist spätestens seit 2005 detailliert bekannt. Nunmehr absehbare Verzögerungen in dem Bemühen des Landes Rheinland-Pfalz für die Eröffnung eines Raumordnungsverfahrens zu einer festen Rheinquerung (Brücke/Tunnel) können der UNESCO nicht angelastet werden.
Wir mahnen Umsetzungsmängel für die UNESCO-Welterbekonvention an:
Mit der Forderung nach einem Managementplan gibt das Welterbekomitee dem Wunsch nach Klarheit über den rechtlichen Schutz und die zum Erhalt notwendigen Verwaltungsverfahren Ausdruck (Richtlinien §§ 97; 10 8ff.). Hier sind allerdings spätestens seit dem Konflikt um das Dresdner Elbtal bedeutende Transformationsdefizite für dieWelterbekonvention in Deutschland festzustellen.
- Hierzu verweisen wir insgesamt auf die Stellungnahme von DGUF, UVP-Gesellschaft u.a. an den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages vom 10. Juni 2009.
- Diese Mängel werden nicht allein durch einen bloßen Hinweis auf die Welterbekonvention im Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz behoben (§ 2 Abs. 3 DSchG-RP), sondern betreffen auch inhaltliche Fragen, z.B. zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Seite 4 von 5 In diesem Zusammenhang merken wir an, dass entgegen der Forderung des Denkmalschutzgesetzes eine frühzeitige Beteiligung der zuständigen Fachbehörden bislang nicht erkennbar ist.
Wir kommentieren diese Sachverhalte wie folgt und möchten empfehlen:
Der infolge der Entscheide zu Dresden und zum Mittelrhein geäußerte Vorwurf mangelnder Glaubwürdigkeit des UNESCO-Welterbekomitee bzw. des Welterbeprogramms kann nicht aufrecht erhalten werden. Beide Beschlüsse zeigen eine einheitliche Linie der Bewertung solcher Eingriffe in die Landschaft. „Grünes Licht“ wurde nicht gegeben, im Gegenteil, die Ampel steht auf „Dunkelgelb“.
Für eine Brückenlösung ist keine Aussicht auf Zustimmung des Welterbekomitee erkennbar, da der wichtige Outstanding Universal Value verloren gehen kann. Mit dem Gutachten der RWTH Aachen scheinen derzeit alle wissenschaftlich-methodischen Optionen ausgelotet zu sein, eine Zustimmung zu erreichen. Am Planungsziel einer Brücke sollte realistisch nicht festgehalten werden.
Ein Tunnel hat deutlich geringere Auswirkungen auf das Welterbe Oberes Mittelrheintal, das zu einem großen Teil als Paradebeispiel für eine bedeutende historische Kulturlandschaft gilt. In voller Übereinstimmung mit dem Verfahren zum Elbtal in Dresden wäre ein Tunnel die Option für eine feste Querung im Rheintal, die Zustimmung beim Welterbekomitee finden könnte.
Die Auswirkungen auf die Fähren, die ein Bestandteil des lebendigen Welterbes sind, werden bislang in der Folgenabschätzung noch gar nicht berücksichtigt. Die Erwähnung dieses Sachverhalts in der Begründung des Welterbekomitee zu seinem Beschluss darf als Kritik aufgefasst werden. Die Fähren bedürfen einer vertieften Prüfung einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung und Kosten-Nutzen-Analyse im Vergleich zu den Brückenoptionen und der Tunnel-Option.
Es kommt insgesamt auf die Formulierung einer überzeugenden Nachhaltigkeitsstrategie für mehrere Jahrzehnte in einem Management- bzw. Masterplan an. Hiervon hängen alle weiteren Schritte ab. Kurzfristigen oder wenig durchdachten Lösungen für Probleme jedweder Art wird insoweit eine unmissverständliche Absage erteilt. Hier will das Welterbekomitee gemäß Artikel 7 Welterbekonvention im Dialog mit dem Vertragsstaat und im Sinne eines „Follow up“ helfen, gemeinsame Lösungen und Strategien zu entwickeln, so dass das Welterbe in Bestand und Wertigkeit erhalten werden kann.
Hierzu ist es auch erforderlich, die Erhaltungsziele des Welterbes zu konkretisieren und in den Planungsebenen zu verankern, so dass sie verbindlich zu berücksichtigen sind. Grundlage dessen wird die „Erklärung zur Bedeutung des Welterbes“ sein. Hierzu liegt ein Entwurf vor, der aber bislang nicht veröffentlicht ist. Es wäre sinnvoll, diese Erklärung bald auch mit der Öffentlichkeit zu diskutieren, um einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Erhaltungsziele zu erreichen.
Der Masterplan und ein Raumordnungsverfahren sind schon aus methodischen Gründen und unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz von Planungen in zeitlicher Folge zu erarbeiten.
Das grundlegende Anliegen des Masterplans ist im Sinne von Artikel 5 der Landschaftsschutzkonvention des Europarats (20. Oktober 2000 Florenz) zu verstehen. Danach sind unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen jeglicher Politik auf die die Kulturlandschaft des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal im Sinne eines „Landscape Mainstreaming“ zu berücksichtigen. Das Welterbe soll somit Bestandteil der integrierten Raum- und Siedlungspolitik, der Kultur-, Umwelt-, Landwirtschafts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik sein. Nachhaltige Landschaftsentwicklung wird damit zu einem Prozess, der einer aktiven Steuerung bedarf (vgl. BMVBS/BBR 2006, 88).
Bei der Landschaftsschutzkonvention geht es nach Auffassung der Bundesregierung – die wir teilen – darum, „das Recht des Menschen auf Bestimmung über die ihn umgebende Landschaft zu bekräftigen und Verwaltungen auf verschiedenen Ebenen (lokal, regional, national und international) zur Zusammenarbeit aufzurufen“ (BT-Drs. 16/5375, S. 11 Nr. 176). Dies ist auch das Ziel der Welterbekonvention (Präambel Abs. 2; Art. 4; 5a, d), die Vorbild für die Landschaftsschutzkonvention ist. Die Zeichnung der Landschaftsschutzkonvention wird von Deutschland als einem von ganz wenigen Staaten Europas verweigert, da „mittelfristig ein erhöhter Verwaltungsaufwand … zu erwarten wäre“ (ebd.). Insoweit sehen wir Umsetzungsdefizite der Welterbekonvention von Regierungsseite offiziell bestätigt.
Wir mahnen alle Akteure, sich der Verantwortung für den sozialen Frieden bewusst zu sein. Der Konflikt in Dresden hat auf Jahre hinaus eine tief bis in die Familien hinein gespaltene Stadtbevölkerung hinterlassen. Ähnliches beobachten wir ganz aktuell in Stuttgart in Zusammenhang mit einem Großprojekt der Deutschen Bahn AG; dort werden vom Schlichter überkommene Entscheidungsstrukturen („Top down“) für die Entstehung des Konfliktes mitverantwortlich gemacht. Auch am Mittelrhein sind bereits deutliche Grenzlinien zwischen Fährenfreunden und Brückenbefürwortern wahrnehmbar.
Wir warnen, dass die weitere Entwicklung wie im Fall der „Waldschlößchenbrücke“ im ehemaligen Welterbe Dresdner Elbtal oder aktuell wie beim Projekt „Stuttgart 21“ verlaufen könnte. Erste Grundsteine hierfür sind bereits durch frühere Planungsmaßnahmen gelegt.
Wir geben grundsätzlich zu bedenken, dass wesentliche Entscheidungen über die Durchführung von Projekten auf den höheren Ebenen der Planentwürfe getroffen werden, wo sie Gegenstand der Strategischen Umweltprüfung sein sollen. Wird dort auf eine konsequente Prüfung der Umweltauswirkungen verzichtet, spielt eine spätere Prüfung auf der Zulassungsebene häufig nur noch eine sekundäre Rolle, weil die Durchführung des Vorhabens bereits mehr oder weniger feststeht und andere Alternativen ausgeschlossen sind. Zu einem solchen Zeitpunkt geht es dann aber oft nicht mehr um das „ob“ sondern nur noch um das „wo“ und „wie“. In diesem Fall entartet die UVP zu einer Ex-post-Legitimation und ermöglicht höchstens noch Nachbesserungen – oder führt zur „Nullvariante“. Zur nachträglichen Akzeptanzbeschaffung in der Öffentlichkeit ist die UVP hingegen ungeeignet. Genau diese Situation droht nun aber im Fall der Mittelrheinbrücke.
In diesem Zusammenhang ist auf den Landesentwicklungsplan/LEP IV (Mainz 2006, S. 148 Nr. G 229) hinzuweisen, dem folgend mit einer Rheinquerung bei St. Goar das Ziel einer Stärkung der „regionsübergreifenden Mobilität“ verfolgt wird. Inwieweit dies dem Erhalt des Rheintals in Bestand und Wertigkeit dient, muss von Politik und Gesellschaft im Dialog mit dem Welterbekomitee im Sinne der geteilten Verantwortung für das Welterbe beantwortet werden (Art. 6 Welterbekonvention). Zweifeln am Nutzen einer Brücke für das Welterbe selbst hat das UNESCO-Welterbekomitee mit seinem Beschluss vom 28. Juli 2010 immerhin deutlich Ausdruck gegeben.
Im Umweltbericht zur Strategischen Umweltprüfung des LEP IV wird das kulturelle Erbe (Kultur- und Sachgüter nach deutschem Recht) von vornherein nicht vertiefend untersucht (Mainz 2006, 34), ebenso nicht die Auswirkungen der beabsichtigten Rheinquerung im Welterbegebiet auf die Kulturlandschaft (ebd., 11). Allerdings hätte bereits an dieser Stelle das Welterbekomitee eine Prüfung fordern oder früher über alle Schritte, Maßnahmen und Ziele informiert werden müssen. Nicht zuletzt deshalb ist zu hinterfragen, ob die vom Welterbekomitee (Richtlinien §§ 169 ff.; 199 ff.) geforderten Strukturen der Überwachung (Monitoring) am Mittelrhein ausreichend sind.
Allgemein wird im Umweltbericht zum LEP IV aus dem Raumordnungsbericht von 2003 zitiert: „Die Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz unterliegen nach wie vor einem hohen Umwandlungsdruck durch Flächeninanspruchnahme, Zerschneidung durch linienhafte Strukturen sowie einem Brachfallen landwirtschaftlicher Flächen. Es besteht die Gefahr, dass die (Kultur-) Landschaftsräume durch den Verlust charakteristischer Strukturelemente sowohl in ökologischer wie auch erlebnisorientierter Hinsicht ihre Bedeutung und Eigenständigkeit verlieren. Der Erhalt der Kulturlandschaften hat bisher nicht die angemessene Berücksichtigung gefunden.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.