Boppard, 12. April 2019
Klaus Thomas, Mainzer Str. 55, 56154 Boppard
Frau
Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Staatskanzlei
55028 Mainz
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
am 18. April 2019 eröffnen Sie das umgebaute Loreleyplateau. Das ist ein trauriger Tag. An diesem Tag werden Sie den Mythos „Loreley“, den Inbegriff der Rheinromantik, in ein eigens für sie gefertigtes Betonverlies verbannen.
Dort oben auf dem zentralen Punkt des Welterbes Oberes Mittelrheintal, dem Loreleyfelsen, hat sie gesessen, mit zarter Stimme gesungen und die vorbeifahrenden Männer auf ihren Schiffen bezirzt. Das Urteil der UNESCO lautete im Jahr 2002: Landschaft, Kultur und eben dieser Mythos von der Loreley sind einmalig auf der Welt.
Aufnahme in die Welterbeliste, um diesen einmaligen universellen Wert unbeschädigt an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.
Das Urteil der Bauherren, die das Loreleyplateau jetzt umgebaut haben:
Kerker für die Loreley.
Hinter riesigen Betonwänden wird sie in einem „Mythenraum“ einsitzen und mit einem Lichtblick nach oben in einen geschmacklosen, leuchtenden Kunstkristall noch trauriger als bisher schon singen: Ich weiß nicht was soll es bedeuten.
Im Antrag zur Aufnahme in die Welterbeliste ist der UNESCO berichtet worden: „Das Zusammenwirken von Denkmal- und Naturschutz und das Interesse des Tourismus an einer unbeschädigten Kulturlandschaft haben bisher dazu geführt, dass das Mittelrheintal keine tief greifenden Änderungen erfuhr“. Auf dem Loreleyplateau, dem Herzstück des Welterbes Oberes Mittelrheintal dominiert nun Beton. Überdimensionierte Betonstraßen führen jetzt zur sagenumwobenen Felsspitze, vorbei an einer künstlich geschaffenen Felsspalte, hin zum „Loreleyverlies“ mit einem kitschigen künstlichen „Kristall“, der weithin im Tal und insbesondere von den vielen umliegenden Aussichtspunkten aus sichtbar ist. Dabei hatten die vorab in Auftrag gegebenen Sichtachsenstudien dort keine Bebauung in dieser Höhe zugelassen (Sichtachsenstudie Grotmij vom 5.8.2014), und die UNESCO hat diesem Vorhaben nie ihre Zustimmung gegeben.
Mit Rechtsverordnung vom April 1996 ist das Grabungsschutzgebiet "Eisenzeitliche Ringwallanlage auf dem Plateau des Loreleyfelsens" in der Gemarkung Bornich ausgewiesen: „Schutzzweck ist die Erhaltung der festgestellten eisenzeitlichen Ringwallanlage aus wissenschaftlichen Gründen“.
Das Gebiet der eisenzeitlichen Ringwallanlage ist nun nahezu komplett unter Beton gelegt.
Ebenfalls mit Rechtsverordnung vom April 1996 ist die Loreleybühne als „Denkmalzone Loreley-Freilichtbühne" ausgewiesen. Schutzzweck der Denkmalzone Loreley-Freilichtbühne ist die „Erhaltung und Pflege der Anlage und ihrer Ausstattung aus wissenschaftlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen zur Förderung des geschichtlichen Bewusstseins“.
Diese zu schützende Bühne existiert nicht mehr. Die Bühne ist derart umgebaut, dass sie weit im Rheintal sichtbar ist und mit dem neuen weißen Zeltdach die Umgebung jetzt optisch massiv zerstört. Die „alte“, nach RVO zu schützende Loreleybühne war kleiner und von einem kleinen Wald umgeben, der zum Zwecke des Ausbaus der Bühne jetzt abgeholzt ist. Im Antrag zur Aufnahme in die Welterbeliste ist der Blick von der rechten Hangkante des Rheinufers über die Burg Katz zur Loreley als „Postkartenansicht des Rheintales“ beschrieben. Diese Postkartenansicht gibt es nicht mehr. Das überdimensionale, weiße, für die Landschaft völlig untypische und nach geltendem Recht nicht genehmigungsfähige Zeltdach zerstört diesen Blick.
Die Bauherren beabsichtigen, auf der Südseite des Felsens ein riesiges Hotel mit einer Gesamtfläche von 28.000 m² zu bauen. Auch dieses Hotel wird vom Tal und von den Aussichtspunkten zu sehen sein und den bisher unversehrten Blick auf den Felsen und die geschützte Natur zerstören. Riesige Naturflächen werden mit dem Hotelbau zusätzlich versiegelt, Straßen und Parkplätze für die Kraftfahrzeuge der erwarteten Besucherströme in die Landschaft gebaut.
Selbst in dem jetzt von Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, zu eröffnenden „Landschaftspark“ dominieren die Betonflächen. Sie können nun selbst prüfen, welche seltenen Tiere und Reptilien dort durch die Baumaßnahmen für immer vertrieben und wie viele Bäume, oder geschützten Pflanzenarten dort auf Dauer verschwunden sind. Als einmalig war die Vielzahl von Falter-Arten beschrieben. Die betonierten Flächen werden sie nie wieder zurückbringen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde nicht vorgenommen.
Seit vielen Jahren sind UNESCO und ICOMOS bemüht, die weitere Entwicklung des Loreleyplateaus am ursprünglich beantragten Interesse an einer unbeschädigten Kulturlandschaft auszurichten. Dennoch ist eine Sommerrodelbahn gebaut worden, die den einzigartigen Charakter der Landschaft zerstört. Dazu ICOMOS 2012: „The Summer Bobsleigh Track on the Loreley Plateau is not compatible with the OUV of the World Heritage property. It considerably alters the cultural landscape. The site is definitely damaged in its authenticity and integrity. It is recommended to refuse the final permit for the Bobsleigh Track”.
Statt Rückbau erfolgt nun der Ausbau: Kinderspielplatz, Picknick und Minigolf.
Abgerundet werden soll der Ausbau des Plateaus noch mit einer Hängebrücke über den Rhein. Planungen dazu gibt es bereits. Dann können zukünftig die (weinenden?) Menschen ihre Autos auf den neuen, betonierten Parkplätzen abstellen, auf frisch mit Betonsteinen ausgelegten Wegen an dem neuen, riesigen Hotel und an der in den Felsen gehauenen Betonschlucht vorbeigehen, hin zu den noch verbliebenen betonierten Aussichtspunkten, um dann hoch über dem Rhein auf den Strom und nach St. Goar hinunterzuschauen, um den unglaublichen Bahnlärm zu verinnerlichen. Sie hören dann die klagende Loreley aus ihrem Betonverlies und können mit einstimmen - ich weiß nicht, was soll es bedeuten. Das „Neue Loreleyspektakel“!
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
die weitere Entwicklung des Felsens bedarf der besonderen Sorgfalt. Alle Veränderungen müssen sich in die Landschaft einfügen, sie ergänzen.
Wir bitten Sie, uns dabei zu unterstützen, dass dem weiteren Ausbau des Loreleyplateaus keine weiteren Naturflächen geopfert werden und den Anforderungen des Welterbes streng Rechnung getragen wird. Das gilt insbesondere für den Hotelbau und für die Hängebrücke. Insbesondere bitten wir Sie aber, sich für den Rückbau der Loreleybühne in den ursprünglich geschützten Zustand einzusetzen. Hier muss der "Postkartenblick“ wieder hergestellt werden.
Wir, die BI Rheinpassagen, der VCD und World Heritage Watch fordern Sie zudem auf, die Belastungen durch Bahnlärm und Erschütterungen umgehend merklich zu verringern, sowie den Fährverkehr, der fünf wichtige Rhein-Querungsmöglichkeiten darstellt und Teil des Welterbes ist, zeitlich auszudehnen und für die Nutzer zu vergünstigen.
Deutschland hat die Verpflichtung übernommen, das Loreleyplateau und das Mittelrheintal für die Weltgemeinschaft zu bewahren. Diese Verpflichtung darf nicht einem temporären Spektakel und kurzfristigen Interessen geopfert werden.
Mit freundlichen Grüßen
für die Bürgerinitiative Rheinpassagen
Klaus Thomas
Otto Schamari, Elke Greiff-Gossen, Hans Sandow, Irmtraud Wahlers, Leo Neydeck, Dr. Heiner Keltsch, Mechtild Feuchtinger, Heinz-Werner Feuchtinger und Christoph Weyrath
für den VCD Mario Pott
für World Heritage Watch
Stephan Dömpke, Vorsitzender
Boppard, 12. April 2019
Bildband zum Loreleyplateau
So sah das mit RVO geschützte Denkmal aus: Die alte Loreleybühne. Der umliegende Wald als Sichtschutz ist abgeholzt.
…und das ist daraus geworden. Die neu gestaltete, nun unübersehbare Bühne, ohne Sichtschutz
Ein Zeltdach im Herzen des Welterbes Oberes Mittelrheintal, die Krönung der Loreleybühne
Niemals werden diese Bäume wieder Sichtschutz herstellen
Der Antrag zur Aufnahme in die Welterbeliste beschreibt den „Postkartenblick“ zum Loreleyfelsen –den gibt es jetzt mit Zeltdach
Baustelle Loreley. Hier gab es einmal seltene Pflanzen und Tiere
Die Smaragdeidechse und viele andere, nur hier vorkommende Tiere oder Pflanzen sind dem Beton geopfert
Die mit RVO geschützte „Eisenzeitliche Ringwallanlage auf dem Plateau des Loreleyfelsens" liegt jetzt unter Beton
Hier lebt nichts mehr –der Weg zur Felskante war unberührter Felsen und bekannt für die vielen Schmetterlinge
Der Höhepunkt: Das Verlies für die Loreley (im Bau). Es zeigt deutlich die erheblichen Eingriffe in die geschützte Natur
UNESCO und ICOMOS fordern den Rückbau der Rodelbahn –jetzt ist sie erweitert: Picknick- und Kinderspielplatz sind neu