Mit der Eintragung des Oberen Mittelrheintals in die Liste des UNESCO-Welterbes konnte am 27. Juni 2002 in Budapest der rund 25 Jahre dauernde Prozess der Anerkennung erfolgreich abgeschlossen werden.
1. Der weltweit unbestritten hohe Rang der Kulturlandschaft Mittelrhein ist in der ungewöhnlichen Dichte hochrangiger Natur- und Kulturdenkmäler in einmaliger Vielfalt der erdgeschichtlich und kulturgeschichtlich bedingten Erscheinungsformen sowie in der Wechselbeziehung von Kultur und Natur begründet. Der Fluß selbst, sein Verlauf, das von Weinbergen ebenso wie von Burgen und historischen Orten bestimmte Landschaftsbild prägen die Einzigartigkeit dieser Landschaft, die im 19. Jahrhundert im In- und Ausland zur „Rheinromantik“ führte, die auch heute bewußt oder unbewußt unser Verhältnis zu ihr bestimmt und ein besonderes Empfinden von Heimat begründet. Damit ist das Mittelrheintal zu einer außergewöhnlichen, fortbestehenden und assoziativ geprägten Kulturlandschaft (im Sinne der UNESCO) geworden, die einen unverwechselbaren, identitätsstiftenden Charakter sowohl für die einheimische Bevölkerung als auch im weltweiten Verständnis hat.
2. Lokale und überregionale, private und öffentliche Nutzungen, daraus abgeleitete Verwertungsansprüche sowie ungenügende Pflege der historischen und natürlichen Substanz haben diese Landschaft einem Wandlungsprozeß ausgesetzt, der die unverwechselbare Eigenart, Vielfalt und Schönheit auch als Grundlagen für eine regionspezifische wirtschaftliche Entwicklung, z.B. im Weinbau und im Tourismus, unwiederbringlich zu zerstören droht. Es besteht die Gefahr, daß der Raum die ihm bislang eigene Kraft verliert und dem langsamen Verfall ausgesetzt ist.
3. Daher ist es dringend geboten, die Natur- und Kulturgüter des Rheintals als ihre Zentralwerte und integralen Bestandteile zu erhalten, zu pflegen und schonend weiterzuentwickeln. Auf dieser Grundlage ist die strukturelle Entwicklung des Rheintals zu stärken und zu fördern. Dies kann nur aus der besonderen Eigenart der Landschaft heraus erfolgen, da diese ihren Wert bedingt.
4. Folgende Forderungen sind zu stellen
- Planungen und Maßnahmen zur Entwicklung sind nur unter sorgfältiger Abwägung der ökonomischen, ökologischen, kulturellen und sozialen Werte zulässig.
- Entwicklungsmaßnahmen und -vorhaben sind auf ihre innere Begründung und äußere Orientierung an den Zentralwerten der Landschaft zu prüfen und daran auszurichten.
- Konzepte zur nachhaltigen Entwicklung sind notwendige Voraussetzung für strukturellen Wandel und die Nutzung von Flächen und Objekten.
- Soweit durch überregionale Nutzungsansprüche Beeinträchtigungen der natürlichen Potentiale und kulturellen Werte unvermeidbar werden, ist für einen Ausgleich zu sorgen.
5. Das bedeutet für die natürlichen und kulturhistorischen Gegebenheiten: Die Landschaft ist in ihrer natürlichen Eigenart und Qualität zu erkennen und zu gestalten. Schäden, welche die natürliche Funktion der Landschaft und ihr Erscheinungsbild in starkem Maße beeinträchtigen, sind zu beheben. Die Zeugnisse der Geschichte und Kultur sind zu erhalten. Die historische Substanz der Objekte und ihre spezifische Einbindung in die Kulturlandschaft dürfen nicht beeinträchtigt werden.
6. Das bedeutet für die Nutzungsformen und -arten:
- Sicherung und Weiterentwicklung des regionalen Wirtschaftsraumes müssen in ihrer Standortwahl, Ausdehnung, Gestaltung und Maßstäblichkeit der kulturlandschaftlichen Eigenart des Rheintals Rechnung tragen.
- Soweit bestehende Einrichtungen und Anlagen diesen Anforderungen nicht entsprechen, sollen sie bei einer Veränderung der wirtschaftlichen Notwendigkeiten zurückgebaut werden.
- Verkehrsbauten und -betrieb sind so auszurichten, daß sie nicht nur den gestalterischen Anforderungen der Landschaft entsprechen, sondern auch zu einer Reduzierung der Lärmbelastung führen.
7. Diese Ziele erfordern eine Bündelung der vorhandenen Mittel und ein umfassendes Kulturlandschafts-Management. Die Instrumente müssen darauf ausgerichtet sein, frühzeitig Konsens der Nutzer und Entscheidungsträger herbeizuführen und die Umsetzung der Konzeption aufzuzeigen. Zentrale Elemente sind Information, Motivation, regionale Selbstverantwortung und Kooperation. Das soeben gegründete Mittelrhein-Forum e.V. bietet hierzu erstmals eine Chance.
8. Alle Entscheidungsträger sind aufgerufen, an der Umsetzung des Kulturlandschafts-Managements mitzuwirken und auf diese Weise die integrative Entwicklung des Kulturerbes nachhaltig zu sichern.
9. Die genannten Aufgaben sind gesellschaftliche Herausforderungen ersten Ranges. Sie können nur bewältigt werden, wenn die Gesellschaft den umfassenden und ganzheitlichen Wert der Kulturlandschaft erkennt und die notwendigen Folgerungen daraus zieht. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz fordert die Landesregierungen, Landkreise und Gemeinden von Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen auf, die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und zur gesellschaftlichen Akzeptanz beizutragen.