Am 13. Mai werden die Preisträgermodelle des internationalen Architektenwettbewerbs zum Bau einer Brücke im Oberen Mittelrheintal in Berlin in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz vorgestellt.
Das seit 2002 in der Liste des Weltkulturerbes verzeichnete Obere Mittelrheintal war schon im 19. Jahrhundert Ziel von Reisenden aus ganz Europa und hat immer wieder Dichter, Maler und Musiker inspiriert (Heine, Turner, Schumann etc.). Gerade der zentrale Abschnitt des Durchbruchtals im Bereich St. Goar und St. Goarshausen erfüllt in besonderer Weise die Vorstellungen vom malerisch-romantischen Rheintal mit dem Loreleyfelsen als bedeutendstem Ort rheinischer Mythologie.
Der bereits Ende April der Presse vorgestellte Sieger im Architektenwettbewerb zum Bau einer Brücke im Mittelrheintal, Entwurf einer irischen Planungsgesellschaft (Heneghan Peng Architects, Arup Consulting Engineers sowie Mitchell Associates), ein „elegantes Bauwerk“ in S-Form mit gewaltigen Rampen, das sich angeblich „harmonisch in die Flusslandschaft einfügt“, begeistert nicht nur den rheinlandpfälzischen Verkehrsminister Hendrik Hering sondern auch „Welterbe-Staatssekretär“ Hofmann-Göttig, der beruhigend erklärt hat, „man wolle die UNESCO nicht provozieren“. Trotz des negativen Urteils einer ICOMOS/UNESCO-Mission im Februar 2008 sieht das Land Rheinland-Pfalz (dank der hervorragenden Lobbyarbeit von Dr. Bernd Freiherr von Droste zu Hülshoff bei der 32. Sitzung des Welterbekomitees in Quebec) bereits grünes Licht für die Bauarbeiten, die 2015 beginnen sollen, und die Landräte der Landkreise Rhein-Hunsrück und Rhein-Lahn sind endlich zufrieden über diesen „wichtigen Meilenstein für die Brücken-Realisierung“ (so laut Rheinzeitung „Welterbezwecksverbandsvorsitzender“ Landrat Bertram Fleck).
Die angeblich an die 50 Millionen Euro teure Brücke, die als Querverbindung für die entlang des Rheins verlaufenden Bundesstraßen B 9 und B 42 auch der überregionalen Anbindung an die großen Verkehrsachsen A 3 und A 61 dient und nebenbei den Flughafen Hahn an die rechte Rheinseite anbindet, wird das bereits jetzt durch den Verkehr stark in Mitleidenschaft gezogene Rheintal zweifellos zusätzlich belasten. Das Projekt greift jedenfalls ganz erheblich in die von der besonderen geografischen Situation geprägte, seit Jahrhunderten auf rund 60 km Länge ohne feste Flussquerung auskommende historische Verkehrslandschaft ein und ruiniert zugleich die traditionellen Rheinfähren, die als wesentlicher Bestandteil der Welterbestätte zu betrachten sind. Die 2008 vom Welterbekomitee in Quebec geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung wurde vom Land Rheinland-Pfalz wieder bei Cochet Consult in Auftrag gegeben, die dabei auf ihre gemeinsam mit dem „Landesbetrieb Mobilität“ (Straßenbauamt) erarbeiteten alten Gutachten vom Mai 2006 und Februar 2009 zurückgreifen können. Da das bisher nur in deutscher Fassung existierende umfangreiche Gutachten die kritischen Konsequenzen für das Kultur- und Naturerbe wohl nicht ganz übersehen konnte, liegt bisher nur eine, im Wesentlichen auf Verkehrsfragen beschränkte englische Kurzfassung vor, mit der die Landesregierung das Projekt der UNESCO „unterjubeln“ möchte. Unter diesen Umständen ist das vorliegende Papier kaum geeignet, die vom Welterbekomitee geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung für eine Rheinquerung im Bereich St. Goar / St. Goarshausen zu ersetzen.
Für ICOMOS hat Prof. Dr. Michael Petzet, bis Ende letzten Jahres Präsident von ICOMOS International und inzwischen Ehrenvorsitzender des Weltverbands, mehrfach gegen das Projekt Stellung genommen (u. a. ein Gutachten vom 6. November 2007, abgedruckt in Heritage at Risk 2006/2007, S. 67ff, siehe www.international.icomos.org/risk/index.html) und auf die drohenden Gefahren für die Integrität der einzigartigen Kulturlandschaft hingewiesen. Petzet spricht von einem „Attentat auf das Rheintal“. Auch die Loreley blickt in der dieser Pressenotiz beigegebenen Darstellung von F. Keller (1875) in tiefer Sorge auf das den Genius Loci, den authentischen Geist de Rheintals gefährdende preisgekrönte irische Projekt. Aber was das von der Regierung von Rheinland-Pfalz mit allen Mitteln vorangetriebene Projekt wirklich bedeutet, kann vielleicht besser als mit Worten der dieser Pressenotiz ebenfalls beiliegende Stich von Gabriel Bodenehr (gegen 1720) verdeutlichen, der Blick von der Loreley auf die Region St. Goar / St. Goarshausen mit Burg Rheinfels und den Burgen Katz und Maus.
Anlässlich des 150. Todestages von Alexander von Humboldt, der um 1800 als erster den Begriff „Naturdenkmal“ definiert hat, werden ICOMOS Deutschland und ICOMOS Kanada Anfang Oktober nahe der Loreley ein kleines internationales Symposium „Monuments of Nature“ veranstalten, das vielleicht mit einer Protestaktion gegen die geplante Zerstörung der Kultur- und Naturlandschaft Oberes Mittelrheintal verbunden werden könnte.
D E U T S C H E S N A T I O N A L K O M I T E EGeschäftsstelle: Alter Hof 2 /IV, 80331 München, Postadresse: Postfach 100 517, 80079 München
Telefon 089/2422 37 84, Fax 089/242 1985 3, e-mail: icomos@icomos.de