an die Verhandlungsführer der Parteien bei den Koalitionsverhandlungen
- Ministerpräsidentin RLP Malu Dreyer
- Katharina Binz
- Dr. Volker Wissing
Die Fähren sind Kernbestandteil des öffentlichen Verkehrs im Mittelrheintal. Sie allein stellen für die Menschen derzeit die Verbindungen zwischen den Städten und Gemeinden über den Fluss dar und nur mit den Fähren ist diese Qualität der Flussquerung sichergestellt.
Positionierung der Fährbetreiber
Mit Schreiben vom 20. April 2015 (vgl. Anlage) haben die Fährbetreiber der Fähren Boppard, Loreley, Kaub und Lorch die Landesregierung darüber informiert, dass sie mit der Inbetriebnahme der Mittelrheinbrücke ihre Fährbetriebe aus wirtschaftlichen Gründen einstellen müssen. Mit einer völligen oder auch nur teilweisen Verlagerung des Straßenverkehrs zu einer Brücke, so begründen die Fährbetreiber ihre Ankündigung, werden die im Fährverkehr zur Deckung der Kosten erforderlichen Erträge so weit reduziert, dass eine betriebswirtschaftlich verantwortbare Weiterführung der Fährbetriebe auszuschließen ist.
Die Fähren einzeln:
- Fähre Boppard – Filsen: Die Fähre ist etwa 12 Kilometer vom geplanten Brückenstandort entfernt. Der Fährbetreiber geht davon aus, dass sich der Kraftfahrzeugverkehr dann überwiegend auf die Brücke verlagert. Mit den Einnahmen aus den verbleibenden Verkehren können die Kosten im Gesamtjahr nicht mehr gedeckt werden. Insofern wird eine Weiterführung des Betriebes insgesamt in Frage gestellt, in jedem Fall aber während der Wintermonate von November bis März (einschließlich) eingestellt.
- Fähre St. Goarshausen – St. Goar: Die geplante Brücke ist etwa 3 bis 4 Kilometer vom Fährstandort entfernt. Der Fährbetreiber geht davon aus, dass dann nahezu der gesamte Kraftfahrzeugverkehr über die Brücke fahren wird. Die wirtschaftliche Grundlage würde dem Fährbetrieb entzogen. Der Fährbetrieb müsste eingestellt werden. Eine Fußgängerfähre ist wirtschaftlich nicht darstellbar.
- Fähre Kaub – Engelsburg: Die Fähre verbindet den Ort Kaub mit der Bundesstraße 42 zur Engelsburg an der Bundesstraße 9. Wegen dieses Standortes ist die Wirtschaftlichkeit des Betriebes sehr stark vom Kfz-Aufkommen abhängig. Eine in etwa 12 Kilometer von der Fähre Kaub entfernt zu bauende Brücke würde einen wesentlichen Teil des Kfz-Verkehrs dort hin verlagern und die Einnahmesituation für den Fährbetrieb derart drastisch verändern, dass der Fährstandort aufzugeben wäre.
- Fähre Niederheimbach - Lorch: Der Fährstandort ist etwa 20 Kilometer vom geplanten Brückenstandort entfernt. Eine in etwa 20 Kilometer Entfernung zu dieser Fähre zu bauende Brücke würde einen Teil des Kfz-Verkehrs dorthin verlagern und die ohnehin durch die Bahnunterführung Niederheimbach eingeschränkte Einnahmesituation derart drastisch verändern, dass der Fährstandort aufzugeben wäre.
Der Vortrag der Fährbetreiber ist als fundiert einzustufen.
Eine Brücke bedeutet die Reduzierung auf eine Rhein-Querungsmöglichkeit
Die Brücke würde dem Betrieb der Fähren am Rhein ein Ende setzen. Der Gesamtverkehr am Rhein wird dann über eine einzige Brücke in Fellen/Wellmich kanalisiert. Das bedeutet, dass die Menschen im 63 Kilometer langen Welterbetal zwischen Koblenz und Bingen nur noch einmal über den Rhein kommen. Das greift tief in die tägliche Lebensplanung der am Rhein lebenden Menschen ein, die andere Rheinseite wird für sie abgeschnitten. Die ist bei einer Brücke in Wellmich/Fellen nur noch mit dem Pkw über diese eine Brücke zu erreichen. Für Fußgänger und Radfahrer ist eine Brücke an diesem Standort nicht nutzbar.
Deutlich schlechtere Erreichbarkeit der Infrastruktureinrichtungen auf der anderen Rheinseite
Die oftmals in Sichtweite über den Fluss liegenden Nachbargemeinden können nur noch mit hohem Zeit- und Kostenaufwand durch erhebliche Umwege erreicht werden. Immerhin 15 Kilometer weit wird dann der Weg von St. Goar nach St. Goarshausen und zurück. Schüler von der linken Rheinseite kommen nicht mehr in das Gymnasium in St. Goarshausen, Ausbildungs- oder Arbeitsplätze werden nicht mehr erreicht, ärztliche Behandlungen auf der anderen Rheinseite sind auszuschließen. Die Auswahl eines Krankenhauses auf der anderen Rheinseite oder Besuchsfahrten dorthin sind mit langen Anreisewegen vom Pkw abhängig und starke Einschränkungen oder vollständiger Abbruch sozialer Bindungen zwischen den Menschen sind die Folge. Touristen müssen in Kauf nehmen, dass der Rhein „nur noch mit Auto geht“. Die Nachteile einer Brücke sind eklatant, der Rhein wird dann zur Grenze.
Der sanfte Tourismus braucht die Fähren
Aktuell können Gäste, die mit Bahn, Rad, zu Fuß, also ohne eigenen Pkw unterwegs sind, im Welterbetal an vielen Orten den Rhein queren. Die Fähren liegen in der Regel in der Nähe von Bahnhöfen und Bushaltestellen. ÖPNV-Touristen können somit planmäßig auf die jeweils andere Seite des Flusses wechseln. Der Wegfall der Fähren wird die Mobilität der Touristen ohne Pkw stark eingrenzen und sie grundsätzlich an eine Rheinseite binden.
Bei Hochwasser ist die andere Rheinseite nicht erreichbar
Ab einem Hochwasserstand von nur wenig mehr als 6 m ist die andere Seite dann komplett abgeschnitten, weil die B 42 zum Beispiel nördlich und südlich von Wellmich überflutet ist. Auch Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehren kommen dann nicht mehr über den Rhein.
Gutachten belegt steigende Verkehrsbelastungen durch eine Brücke
Die vielen Umwege für die Autofahrer nach einer Kanalisierung des Verkehrs auf eine Brücke erfordern Zeit, erzeugen Abgase und verursachen hohe Kosten. Insgesamt ist von einer deutlich höheren Belastung der Menschen im Mittelrheintal wegen des dann erheblich ansteigenden Straßen- und insbesondere auch des Straßen-Güterverkehrs auszugehen. Das Gutachten der RWTH Aachen vom 8. Januar 2010 geht von siebenfach höherer Verkehrsbelastung der Rhein-Parallelstraßen aus. Darin ist die weitere Zunahme des Straßenverkehrs durch den Wegfall der Fährbetriebe noch nicht enthalten.
Brücke erzeugt zusätzlichen Verkehrslärm zum ohnehin schon unerträglichen Bahnlärm
Die Menschen am Rhein sind durch den von der Bahn ausgehenden Lärm und die Erschütterungen bereits jetzt über die Grenzen des Erträglichen hin belastet. Eine Verlagerung dieser Verkehre auf eine Neubaustrecke sieht der neue Bundesverkehrswegeplan nicht vor. Nach der Öffnung des Gotthard-Tunnels werden dann der deutlich zunehmende Schienen-Güterverkehr, der zusammen mit dem nach einem Brückenbau insbesondere wegen der Kanalisierung auf eine einzige Rheinquerung deutlich gesteigerte Straßenverkehr und der dann zusätzliche Straßen-Güterverkehr das Mittelrheintal belasten.
Reduzierung von Umweltbelastungen muss als verkehrsplanerisches Ziel hervorgehoben werden
Eine Reduzierung der verkehrlichen Umweltbelastungen muss dringend in den Vordergrund des politischen Handelns gestellt werden, nicht aber deren Steigerung. Die dient den Menschen nicht. Der Weggang von Menschen aus dem Mittelrheintal wird zur Fluchtwelle anschwellen, wenn hier nicht endlich konkret gegen die verkehrsbedingten Umweltbelastungen vorgegangen wird, statt sie zu fördern.
Gesamtlösungsansatz statt Einzellösung
Seit Jahrhunderten haben sich die Verkehrsbedürfnisse, die Verkehrsarten und die Verkehrsströme am Mittelrhein immer wieder verändert. Die Verkehrsträger sind jedoch grundsätzlich erhalten geblieben: Straße, Schiene, Fähre. Diese so gewachsene Verkehrsstruktur ist absolut zukunftsfähig, sie muss als Rückgrat der verkehrlichen Zukunft am Rhein erhalten bleiben und ausgebaut werden. Die Verkehrszukunft am Rhein muss hohe Beförderungsqualität zusammen mit dauerhaft deutlichen Verbesserungen für alle beinhalten. Dazu wäre kurzfristig der heutige und auch der absehbar zukünftige Bedarf an Rheinquerungen zu analysieren, um dann für alle Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer, Kraftfahrzeuge, Schüler- oder Berufsfahrten, Geschäfts- und Individualverkehre, Touristen, attraktive und am Menschen orientierte Verkehrsangebote zu gestalten. Ein Generalverkehrsplan für das Mittelrheintal ist das geeignete Mittel, um den erforderlichen Verbesserungen der Verkehre die notwendige planerische Grundlage zu geben. Verkehrsverbesserungen für alle muss das Ziel sein.
Forderungen und Lösungsansätze der Bürgerinitiative Rheinpassagen zusammen mit dem VCD
Wir, die Bürgerinitiative Rheinpassagen und der Verkehrsclub Deutschland (VCD RLP) fordern, die Sorge der Menschen am Mittelrhein um die Folgen eines Brückenbaus besonders ernst zu nehmen und die Belange der Menschen zum Erhalt und zur Förderung eines weiterhin lebenswerten Welterbetals in den Vordergrund der Koalitionsverhandlungen zu diesem Punkt „Mittelrheinbrücke“ zu stellen. Wir fordern, die Bedürfnisse der Menschen bei der täglichen Lebensgestaltung hier voranzustellen und nicht dem Aspekt der Verbesserung wirtschaftlicher Belange unterzuordnen.
Bürgerinitiative Rheinpassagen und VCD regen an, die nachfolgend genannten Punkte in die Verhandlungen um einen Koalitionsvertrag zur zukünftigen Politik des Zusammenhalts und des sozialen Ausgleichs im Land Rheinland-Pfalz aufzunehmen und als Grundlage für den Erhalt und die Zukunft der Lebensbedingungen der Menschen am Rhein festzulegen:
- Die bisherigen Rheinquerungsmöglichkeiten sind für die Menschen am Mittelrhein als Mindeststandard festzuschreiben, eine Kanalisierung des Verkehrs über nur eine Brücke im Mittelrheintal ist auszuschließen.
- Verbesserungen der Rheinquerung sind erforderlich. Zur Verbesserung der Rheinquerungsqualität ist mindestens eine Nachtfähre einzurichten.
- Die Kosten der Rheinquerung sind für Anwohner auf ein sozial verträgliches Maß zu reduzieren, wir regen an, Anwohnertarife einzuführen. Die Fähren sind für Fußgänger und Radfahrer in das Landes-ÖPNV-Gesetz und die Nahverkehrspläne aufzunehmen, Mindestqualitätsanforderungen sind festzusetzen und entsprechend zu fördern (u.a. Erstattung von Schülerzeitkartenmindererlösen „45a-Mittel“).
- "Mit dem Bau und Betrieb der Verkehrswege gehen Umweltbelastungen einher, die mancherorts nicht mehr überschreitbare Grenzen erreicht haben. Die Investitionspolitik im Verkehr soll daher, ebenso wie andere Bereiche der Verkehrspolitik, zum Abbau verkehrsbedingter Umweltbelastungen und zur Energieeinsparung beitragen (Bundesministerium für Verkehr 1986: Bundesverkehrswegeplan 1985 und neuer Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Verkehr, Heft 68, Bonn]. Die Bürgerinitiative Rheinpassagen und VCD fordern, kurzfristig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Verkehrsbelastungen im Mittelrheintal zu reduzieren. Es ist sicherzustellen, dass zusätzliche Verkehrsbelastungen im Mittelrheintal ausgeschlossen sind. Die Verkehrsmittel des Umweltverbundes (Zu Fuß gehen, Fahrrad, Bahn- und Bus) sind zu fördern.
- Die Bürgerinitiative Rheinpassagen und VCD fordern für das Welterbe Oberes Mittelrheintal „Qualität statt Quantität“ bzgl. des Verkehrszuwachses im Welterbe Oberes Mittelrheintal als Ziel zu formulieren. In diesem hochempfindlichen Gebiet der Welterbe-Kulturlandschaft ist der Reduzierung des Verkehrsaufkommens der Vorrang zu geben. Verkehrszuwachs wäre durch die Optimierung des Fährverkehrs, wie im Gutachten der RWTH Aachen beschrieben, zu bewältigen.
- Entsprechend der Vorgabe des Bundesverkehrsministers aus dem BVWP 2003 ist bei der Umwelt-Risiko-Einschätzung (URE) für die Verkehrsbelastung des Mittelrheintals "bei einer methodisch vergleichbaren Anwendung für alle Verkehrsträger, die stärkere Berücksichtigung auch von Kulturlandschaften und hochempfindlichen Gebieten sowie von Kulturlandschaften und verkehrsarmen Räumen" anzuwenden (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2003: Bundesverkehrswegeplan 2003. Bonn. Die Bürgerinitiative Rheinpassagen und VCD fordern, diese Umwelt-Risiko-Einschätzung sofort zu erstellen.
- Die Bürgerinitiative Rheinpassagen und VCD fordern die Landesregierung auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die eine Reduzierung der Umweltbelastungen durch die Bahn (Lärm und Erschütterungen) bewirken. Auch die Verwendung von Haushaltsmitteln des Landes ist vorzusehen.
- Der heutige und auch der absehbar zukünftige Bedarf an Rheinquerungen sind zu analysieren, um dann für alle Verkehrteilnehmer das erforderliche, an den Menschen orientierte Verkehrsangebot zu gestalten (ein Generalverkehrsplan für das Mittelrheintal). Das Ziel muss sein: „Verbesserung des Verkehrsangebotes für Alle“.
- Der Bau einer Brücke erfordert hohe Investitions- und Folgekosten. In eine Brücke ist nur dann zu investieren, wenn der Generalverkehrsplan alle anderen Investitionen zur Verkehrsgestaltung für alle ausschließt.
- Während der zurückliegenden Legislaturperiode war eine Verlängerung der Verkehrszeiten der Fähre in St. Goarshausen eingeführt worden. Diese Fahrzeitverlängerung hat sich bewährt, ist aber dennoch seit dem 1. April 2016 eingestellt worden. Die Fährzeit ist schnellstmöglich wieder zu verlängern, wobei die Fährzeiten auch auf die Nachtstunden auszudehnen wären.
Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie sich in dem hier vorgetragenen Sinne für die Belange der Menschen am Rhein einsetzen und deren Sorgen um die Lebensqualität im Zusammenhang mit der Verkehrsgestaltung am Mittelrhein vorrangig bei den anstehenden Verhandlungen berücksichtigen würden. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns über das erreichte Ergebnis informieren würden.
Klaus Thomas, Mario Pott (VCD), Otto Schamari und Elke Greiff-Gossen (Bürgerinitiative Rheinpassagen)