Sonntag, 21. Februar 2016

Mittelrheinbrücke

Eine Brücke ohne Perspektiven

Der Mittelrhein braucht eine Brücke, fordert die CDU. Als Gründe lesen wir (RZ vom 12.2.2016): Wirtschaft und Tourismus brauchen die feste Rheinquerung, der Rückgang der Bevölkerung wird gebremst, Investitionen gibt es nur mit Mittelrheinbrücke und auch Arbeitsplätze. Konkret ist aber nichts. Es könnte vielleicht etwas geschaffen werden. Was das ist, ist nicht konkret oder noch nicht. „Wo die Reise genau hingeht“ ist greifbar.

Beispiel Fähren: Die stellen mit dem Brückenbau ihren Betrieb ein, das ist längst öffentlich und auch in der Politik bekannt. Wie aber soll das, was versprochen wird, ohne Fähren funktionieren? Der Rhein als Grenzfluss mit Kanalisierung des Verkehrs auf eine einzige Brücke, die andere Rheinseite, Schulen, Krankenhäuser, Arbeits- und Ausbildungsplätze in unerreichbarer Ferne? Lösungsvorschläge: Keine

Beispiel Arbeitsplätze. Mit dem Brückenbau schafft wer, wann, wo, konkret wie viele Arbeitsplätze? Bisher nichts Konkretes.

Das wohl größte Arbeitsplatzangebot in Deutschland gibt es im Rhein-Main-Gebiet. Hinkommen muss man. Also die rechte Rheinseite mit einer attraktiven Verkehrsverbindung dorthin anschließen! Jetzt! Da sind die Arbeitsplätze, die hier fehlen.

Beispiel Investitionen. Wer investiert konkret wann, wo, in welche Projekte. Keine Aussage.

Beispiel Bevölkerungsentwicklung: Die niedrige Geburtenrate und zusätzlich der Trend junger Menschen zum Stadtleben haben auch das Mittelrheintal erfasst. Das Statistische Landesamt sagt (konkret) voraus, dass allein der Rhein-Hunsrück-Kreis bis zum Jahr 2060 schätzungsweise 25.000 Einwohner verlieren wird. Insbesondere fehlen hier schon lange junge Frauen im gebärfähigen Alter, so das Statistikamt. Gerade die zieht es aber in die Stadt. Wie soll also wann konkret erreicht werden, so viele möglichst junge Menschen zusätzlich ins Tal zu bringen, dass wenigstens ein Ausgleich hergestellt wird? Bisher keine Aussage!

Der Weggang von Menschen aus dem Mittelrheintal wird bald zur Fluchtwelle anschwellen, wenn nicht endlich etwas Konkretes gegen die Umweltbelastungen durch die Bahn getan wird. Mit der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels wird das Bahn-Frachtaufkommen etwa verdoppelt, so wie hier auch Lärm und Erschütterungen. Werden die jungen Frauen das Getöse zur Heimat ihres Kindes erklären, wenn sie zusätzlich auch noch zum Einkaufen oder zur medizinischen Versorgung in die Stadt oder zu Schulen und Kindergärten fahren und dazu ein Auto brauchen, weil ÖPNV „nicht existiert“? Werden die Menschen bleiben, wenn Immobilien nicht mehr zu vermieten, nicht zu verkaufen sind? Sind die mindestens 100 Mio Euro für eine Brücke gut investiert in die Zukunft der Menschen hier oder dient die Investition lediglich dem Autofahrer, der auf der anderen Rheinseite feststellen wird, dass auch dort die lebenswerte Infrastruktur fehlt?

Beispiel Tourismus. Mit einer festen Rheinquerung wird die Grenze zwischen den Rheinseiten geschaffen. Der aufblühende Wander- und Radwandertourismus wird abgewürgt, der Rheintourist muss zur Kenntnis nehmen, dass der Rhein „nur noch mit Auto geht“. Dafür wird der Straßenverkehr in unseren Mittelrheinorten dann mindestens siebenmal höher werden, sagt das Gutachten der RWTH Aachen. Wie gibt eine Brücke damit konkret, wodurch, welche touristischen Impulse? Keine Aussage.

Politik muss sich zurückhalten mit Versprechungen, wenn man nicht weiß, ob man sie einhalten kann. (Zitat Julia Klöckner, RZ vom 12.2.2016) Versprochen ist ja noch nichts. Aber ohne jede Zurückhaltung kann der Weg aufgezeigt werden, wie die Verkehrssituation am Rhein für alle verbessert und nicht drastisch verschlechtert wird.

Klaus Thomas, Boppard.