Klaus Thomas
Mainzer Str. 55
56154 Boppard, den 20. April 2015
Tel.: 06742 938181
Klaus Thomas, Mainzer Str. 55, 56154 Boppard
Frau
Ministerin
Eveline Lemke
Stiftsstraße 9
55116 Mainz
Betreff:
Hier:
Masterplan für das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal
Situationsbeschreibung der Fährbetriebe zur Aufnahme in den Masterplan
Anlagen: 4
Sehr geehrte Frau Ministerin,
der Masterplan Welterbe Oberes Mittelrheintal wird derzeit abschließend erstellt. Der Arbeitskreis "Mobilität & Infrastruktur" hat am 26. Februar 2015 bei seiner 3. Sitzung das Thema „Mittelrheinbrücke“ und bei seiner 4. Sitzung am 18. März 2015 das Thema „Fährbetriebe“ als jeweils inhaltlichen Schwerpunkt der zukünftigen Ausgestaltung des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal behandelt.
Wir, die Betreiber der Fähren am Mittelrhein möchten Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Brücke am Mittelrhein und den Fährbetrieben aufzeigen: Derzeit sind die Fähren über den Rhein die wichtigste Verbindung für die Menschen zur jeweils anderen Rheinseite. Die Betriebe in Boppard (Fähre Boppard - Filsen), St. Goarshausen (Loreleyfähre St. Goarshausen - St. Goar), in Kaub (Fähre Kaub – Engelsburg) und in Niederheimbach (Mittelrheinfähre Niederheimbach – Lorch) stellen diese Verbindung regelmäßig her.
Mit dem Bau einer Brücke am Mittelrhein würde diese Situation aber nachhaltig und grundlegend verändert.
Die Fährbetriebe am Mittelrhein sind privatrechtliche Unternehmen. Sie unterliegen allen Markt- und Kapitalrisiken, die von den Fährbetrieben erbrachten Dienstleistungen sind die Grundlage ihrer Kosten- und Leistungsrechnung. Einnahmen erzielen die Fährbetriebe aus der Beförderung von Personen und Fahrzeugen mit denen die Kosten zu decken sind. Werden den Fährbetrieben einzelne Einnahmesegmente entzogen, dann sind die Existenzbedingungen der Unternehmen, Liquidität und Rentabilität, nicht gesichert, zumal derzeit keiner der Fährbetriebe öffentliche oder private Finanzhilfen beansprucht oder erhält.
Mit dem Bau einer Brücke zwischen St. Goar – Fellen und St. Goarshausen - Wellmich würde ein großer Teil des Kraftfahrzeugverkehrs von den Fähren weg und zur Brücke hin verlagert. Mit den dann noch zu erzielenden Einnahmen aus den Rest-Beförderungsleistungen wären die Fähren nach derzeitigen Standards nicht weiter kostendeckend zu betreiben. Die betriebswirtschaftlich sinnvolle Weiterführung der Fährbetriebe würde damit in Frage gestellt.
Jeder der derzeitigen Fährbetriebe am Mittelrhein hat auf der Grundlage seiner Betriebsverantwortung zwischenzeitlich Kalkulationsgrundlagen erstellt, die dann anzuwenden wären, wenn der Bau einer Brücke am Mittelrhein zwischen St. Goar – Fellen und St. Goarshausen – Wellmich vollzogen würde. Die Zukunftsaussichten für den Fährverkehr am Mittelrhein sind von jedem Fährbetreiber in den Anlagen 1 – 4 zu diesem Schreiben detailliert dargestellt. Zusammengefasst bedeutet das
Fähre Boppard – Filsen (Anlage 1 zu diesem Schreiben): Die Fähre ist etwa 12 Kilometer vom geplanten Brückenstandort entfernt. Es ist davon auszugehen, dass sich der Kraftfahrzeugverkehr dann überwiegend auf die Brücke verlagert. Mit den Einnahmen aus den verbleibenden Verkehren können die Kosten im Gesamtjahr nicht mehr gedeckt werden. Insofern wird eine Weiterführung des Betriebes insgesamt in Frage gestellt.
Fähre St. Goarshausen – St. Goar (Anlage 2 zu diesem Schreiben): Die geplante Brücke ist etwa 3 Kilometer vom Fährstandort entfernt. Es ist davon auszugehen, dass dann nahezu der gesamte Kraftfahrzeugverkehr über die Brücke fahren würde. Die wirtschaftliche Grundlage würde dem Fährbetrieb entzogen. Der Fährbetrieb müsste eingestellt werden. Eine Fußgängerfähre ist wirtschaftlich nicht darstellbar.
Fähre Kaub – Engelsburg (Anlage 3 zu diesem Schreiben): Die Fähre verbindet den Ort Kaub mit der Bundesstraße 42 zur Engelsburg an der Bundesstraße 9. Der Fährbetrieb ist an diesem Standort sehr stark vom Kfz-Aufkommen abhängig, um kostendeckend betrieben zu werden. Eine in etwa 12 Kilometer von der Fähre Kaub entfernt zu bauende Brücke würde einen wesentlichen Teil des Kfz-Verkehrs dort hin verlagern und die Einnahmesituation für den Fährbetrieb derart drastisch verändern, dass der Fährstandort aufzugeben wäre.
Fähre Niederheimbach - Lorch (Anlage 4 zu diesem Schreiben): Der Fährstandort ist etwa 20 Kilometer vom geplanten Brückenstandort entfernt. Eine in etwa 20 Kilometer Enfernung zu dieser Fähre zu bauende Brücke würde einen Teil des Kfz-Verkehrs dorthin verlagern und die ohnehin durch die Bahnunterführung Niederheimbach eingeschränkte Einnahmesituation derart drastisch verändern, dass der Fährstandort aufzugeben wäre.
Diese in den Anlagen 1 bis 4 beigefügten Erklärungen der Fährbetreiber zur Zukunft der Fährbetriebe nach einem Brückenbau am Mittelrhein bitten wir in den Masterplan für das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal aufzunehmen. Im Masterplan sollten auch die Folgen für die Menschen, die Landschaft und die Umwelt ohne Fähren am Mittelrhein dargestellt werden:
Rheinquerungen wären auf dem 65 Kilometer langen Weg zwischen Koblenz und Bingen für alle Verkehrsteilnehmer nur noch über die zu bauende Brücke möglich
Der Rhein wird dann in vielen Fällen zur Grenze werden. Fußgängern würde die Möglichkeit von Rheinquerungen außerhalb von Bingen und Koblenz komplett entzogen. Auch für Radfahrer dürfte die Rheinquerung über die Brücke bei St. Goar/St. Goarshausen wegen dann großer Entfernungen grundsätzlich entfallen.
Einkaufs-, Besuchs- und Sozialverkehre einschließlich der Schülerverkehre würden zur anderen Rheinseite zukünftig auszuschließen sein. Beispiele: Von den Rheindörfern Osterspai, Filsen und Kamp-Bornhofen auf der rechten Rheinseite wird die Entfernung in das linksrheinische Boppard mit seiner guten Infrastruktur, dem Krankenhaus, mit Ärzten, Schulen, dem Gymnasium, mit Arbeits- und Ausbildungsplätzen insbesondere im Hotel-, Gaststätten- und Dienstleistungsgewerbe und im Handwerk auf etwa 60 bis 80 Kilometer täglich anwachsen. Schüler- und Sozialverkehre werden dann nicht mehr stattfinden. Für den Berufsverkehr zu einem der attraktiven Arbeitsplätze in Boppard (BOMAG; Sebamed, Industriegebiet Hellerwald, Hotel- und Gaststättengewerbe) wird der Weg arbeitstäglich deutlich weiter und sehr kostenintensiv.
Die Fähre Loreley befördert täglich in 24 Stunden 30.000 Fußgänger zwischen St. Goarshausen und St. Goar. Über eine Rheinbrücke würde die Entfernung zur jeweils anderen Rheinseite 6 bis 8 Kilometer betragen. Der gesamte Fußgängerverkehr müsste dann auf Kraftfahrzeuge verlagert werden. Das gilt auch für die täglich etwa 200 Fahrschüler. Auch das Gymnasium in St. Goarshausen wird von St. Goar nur mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen sein.
Es werden erhebliche Mehrverkehre auf der Straße erzeugt. Die Entfernungen zum Erreichen der anderen Rheinseite wird nach einem Brückenbau zukünftig durchschnittlich 50 Kilometer für Hin- und Rückweg betragen. Dabei erzeugen dann je 100 Personen einen jährlichen Mehrverkehr von 1.6 Mio. Kilometern.
Dass der Wegfall von Fährverbindungen alle notwendigen Beziehungen zur benachbarten Rheinseite unterbricht mag durch das Beispiel des etwa zweiwöchigen Ausfalls der Fährverbindung Boppard - Filsen im Januar 2015 aufgezeigt werden. Die jeweils andere Rheinseite war nur mit dem Pkw über die Brücke Koblenz oder über die Fähre St. Goarshausen/St. Goar zu erreichen. Ärztliche Behandlungen in Boppard waren zu unterbrechen, Krankenhausbehandlungen wurden abgesagt oder verlagert, Arbeitsplätze, aber insbesondere auch Ausbildungsplätze konnten nicht erreicht werden, Schulbesuche mussten entfallen, auch die sozialen Verbindungen zwischen den Menschen waren während dieser Zeit stark eingeschränkt oder unterbrochen. Mit dem Wegfall der Fähren am Mittelrhein würde diese Situation zur Regel werden.
Die Fähren sind unverzichtbar für die Menschen am Rhein. Wir, die Fährbetreiber am Mittelrhein sind uns dessen bewusst, wir sind bereit, unsere Aufgabe weiterhin zu erfüllen und auch die Tradition der Fährbetriebe im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal zum Wohle der Menschen und im Sinne der Fortentwicklung des Tals zu erhalten. Den Fortbestand der Fährbetriebe könnten wir aber dann nicht gewährleisten, wenn uns die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zur Weiterführung unserer Fährbetriebe durch von uns nicht zu vertretende Vorgaben entzogen würden.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir würden unsere Situation und unsere Einschätzung der Folgen für das Mittelrheintal nach der Aufgabe von Fährbetrieben gern persönlich mit Ihnen erörtern. Wir würden dazu einen Termin in Mainz in Ihrem Hause wahrnehmen. Wir laden Sie aber gern auch herzlich zu uns an den Mittelrhein ein. Wir freuen uns auf das Gespräch mit Ihnen und bitten Sie, uns einen Termin hierfür zu nennen.
Mit freundlichen Grüßen: