PM - BI Rheinpassagen und VCD
Mobilitätskonzept für den Mittelrhein sofort erstellen
Lärm gefährdet den Welterbestatus für das Obere Mittelrheintal
Die BI Rheinpassagen und der VCD hatten die Verhandlungsführer der Koalitionsparteien unmittelbar nach der Landtagswahl 2016 aufgefordert, einen „Generalverkehrsplan“ für den Mittelrhein zu erstellen. Die von der BI vorgetragenen wesentlichen Gründe: Die Verkehrszukunft am Rhein muss hohe Beförderungsqualität zusammen mit dauerhaft deutlichen Verbesserungen für alle beinhalten.
Dem Antrag der BI und des VCD ist entsprochen worden. Im Koalitionsvertrag steht: „Die Planung einer Mittelrheinbrücke als welterbeverträgliches, kommunales Verkehrsprojekt wird wieder aufgenommen. Diese Planung ist eingebunden in die Entwicklung eines regionalen Mobilitätskonzeptes“.
Dieses Mobilitätskonzept wird klären, wie die Verkehrsinfrastruktur im Welterbe Oberes Mittelrheintal nachhaltig verbessert werden kann. Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für Fußgänger, Rad- und Autofahrer ist erforderlich um die ökonomische Basis für die Sicherung des Welterbes zu schaffen, indem die dort lebenden Menschen zeitgemäße, bessere und zuverlässigere Zugänge zur Umgebung auf beiden Seiten des Rheins erhalten. Das Mobilitätskonzept muss den „Outstanding Universal Value“ des Welterbes berücksichtigen. Es ist zu untersuchen, unter welchen Bedingungen ein optimierter Fährbetrieb oder eine Brücke oder ein Tunnel machbar sind und welche Beeinträchtigungen diese im Blick auf Lärm, Umwelt, Wirtschaftlichkeit und Erreichbarkeit für alle Verkehrsteilnehmer verursachen.
Dazu wäre der heutige und der absehbar zukünftige Bedarf an Rheinquerungen zu analysieren, um dann für alle Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer, Kraftfahrzeuge, Schüler- oder Berufsfahrten, Geschäfts- und Individualverkehre, Touristen, attraktive und am Menschen orientierte Verkehrsangebote zu gestalten. Das Mobilitätskonzept ist das geeignete Mittel, um der verkehrlichen Zukunftsgestaltung die notwendige planerische Grundlage zu geben. Verkehrsverbesserungen für alle muss das Ziel sein.
Fest steht bisher nur, dass eine Brücke den Gesamtverkehr auf eine Rheinquerung kanalisiert. Die vier Fähren im Mittelrheintal stellen mit dem Bau einer Brücke den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen ein. Kostendeckung ist für sie dann nicht mehr gegeben. Darüber ist die Landesregierung im April 2015 in einem gemeinsamen Schreiben der Fährbetreiber informiert worden.
Es gibt noch immer keine Aufklärung darüber, wie die Menschen am Rhein dann über den Fluss kommen. Zu Ersatzquerungen gibt es keine Aussage, demnach sind keine vorgesehen. Auch auf Rückfrage beim Landeserkehrsminister und den betroffenen Ländräten hat der VCD keine Antwort auf die Frage erhalten, wie die mehr als 200 Schüler, die täglich den Rhein überqueren, zu ihren Schulen und wieder nach Hause kommen. Das unterstützt den Hinweis, dass keine weitere Rheinquerung geplant ist.
Mit der Kanalisierung des Verkehrs auf nur eine Brücke wird der Rhein aber zur Grenze. Die Menschen in den benachbarten Gemeinden erreichen dann die jeweils andere Seite des Flusses nur noch mit dem Pkw über diese eine Brücke und als Fußgänger oder Radfahrer gar nicht mehr. Arbeitsplätze oder Schulen können auf der jeweils anderen Rheinseite nicht mehr oder nur mit hohen Fahrleistungen und Kosten erreicht werden. Es wird auch noch zusätzlicher Straßenverkehr erzeugt.
Bedeutung einer Mittelrheinbrücke für den überregionalen Güterverkehr
Verkehrsminister Wissing hat jetzt erklärt, dass der zurückliegende Versuch mit verlängerten Fahrzeiten der Fähren keinen nächtlichen Querungsbedarf ausweist. Deshalb wird das Land eine weitere verlängerte Fährzeit nicht unterstützen.
Kein Querungsbedarf? Wie soll dann der Bedarf für eine Brücke erklärt werden? Mit der Nutzung der Brücke für den überregionalen Verkehr! Das ergeben die Gutachten des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz und von Prof. Dr. Spannowsky, Uni Kaiserslautern. Der Landesentwicklungsplan IV des Landes Rheinland-Pfalz bestätigt diese überregionale Verbindung ebenso, wie auch das Landes- und das Bundesverkehrsministerium in der Darstellung zur Hochmoselbrücke: Sie ist ein kurzes Stück eines Großprojekts, nämlich der Fernstraßenverbindung, mit der die belgischen/niederländischen Nordseehäfen über die A 60 von der belgischen Grenze bis zur A 1 verbunden werden, um von dort aus eine Verbindung zur A 61 zu schaffen. „Vor allem der Frachtbereich wird durch die Strecke stark profitieren“.
Die Anbindung der Mittelrheinbrücke an die zukünftig sechsspurige A 61 ist im LEP IV ausdrücklich gefordert.
Dem historisch gewachsenen Nord-Süd-Verkehrsweg am Rhein soll eine neue Ost-West-Straßen-Verkehrsachse hinzugefügt und zu einer großräumigen Netzstruktur verknüpft werden. Keine der Straßen in RLP hat eine solche verkehrs- und strukturpolitische Bedeutung, wie eine Mittelrheinbrücke, die innerhalb des Landes untereinander oder zusammen mit Fernstraßen und Autobahnen ein Verkehrsnetz bildet und dem Durchgangsverkehr dient.
Der Ost-West-Querungsverkehr wird insbesondere dem Frachtbereich dienen. Der ist wegen der hohen Umweltbelastungen im Welterbegebiet aber auszuschließen. ICOMOS Deutschland, die Beratungsorganisation für die UNESCO nennt das Brückenvorhaben ein „Attentat auf das Mittelrheintal“. ICOMOS schreibt „Die Brücke, die als Querverbindung für die entlang des Rheins verlaufenden Bundesstraßen B 9 und B 42 auch der überregionalen Anbindung an die großen Verkehrsachsen A 3 und A 61 dient und nebenbei den Flughafen Hahn an die rechte Rheinseite anbindet, wird das bereits jetzt durch den Verkehr stark in Mitleidenschaft gezogene Rheintal zweifellos zusätzlich belasten“.
Aber auch der lokale Verkehr wird mit einer Brücke ansteigen, hat die RWTH Aachen in dem "Gutachten zur Bewertung der verkehrlichen Auswirkungen einer Brücke über den Mittelrhein" im Jahr 2009 festgestellt. Das Gutachten bestätigt die erhebliche Zunahme des lokalen Verkehrs von 2000 Kfz im Fährverkehr auf 7.000 – 10.000 Kfz täglich über die Brücke.
Die Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Menschen werden insbesondere beim Zusammentreffen von Schienen- und Straßenverkehr im gleichen Verkehrsraum erheblich sein. Der Verkehr muss aber welterbeverträglich werden, fordert die UNESCO ohne zu unterscheiden, wer den Verkehrslärm erzeugt. Jede Zunahme der Verkehrsbelastungen gefährdet den Welterbestatus.
Die Ost-West-Straßenverkehrsachse
A 3 (Limburg) – Flughafen Frankfurt–Hahn – Luxemburg – Belgien (Nordseehäfen) Eine großräumige Netzstruktur entsteht.
Quelle: Keine Südumgehung Limburg
Nur die Brücke über den Mittelrhein bei St. Goar fehlt noch.
Verkehrslärm im Mittelrheintal
Aber auch der Schienenverkehr legt am Rhein deutlich zu: Der Güterverkehrskorridor A von Genua/Lyon nach Rotterdam/Antwerpen führt als wesentliche Verbindung des „Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN)“ durch das Welterbe Oberes Mittelrheintal. Der Gotthard-Basistunnel ist fertig gestellt. Ab 2017 werden ihn täglich bis zu 300 Züge durchfahren. Die Eisenbahn-Alpentransversale (EATS) wird ab 2020 den Schienenverkehr von Frankreich, insbesondere von den französischen Mittelmeerhäfen, aufnehmen. Der Schienenverkehr steigt dann nochmals an. Mit dem „European Rail Traffic Management System (ERMTS)“ wird der Zugverkehrs für noch höhere Geschwindigkeiten und Zugzahlen technisch ausgestattet.
Die Anzahl der täglich im Mittelrheintal verkehrenden Züge wird im Vergleich zum Jahr 2002, dem Jahr der Aufnahme in die Welterbeliste, um mindestens das Vierfache auf täglich durchschnittlich 600 Züge ansteigen. Insbesondere Güterzüge erzeugen regelmäßig Lärmpegel von 100 Dezibel und mehr. Dieser ungeheure Lärm schädigt die Gesundheit der Menschen. Außerdem belasten die von den schweren Güterzügen ausgehenden Erschütterungen die Umgebung.
Eine beantragte Neubaustrecke zur Verlagerung des Güterverkehrs aus dem Rheintal ist von der Bundesregierung nicht aufgegriffen worden.
Die Auswirkungen des aktuellen und zukünftigen Verkehrs beeinträchtigen den einzigartigen, universellen Wert des Welterbes inzwischen so erheblich, dass Sofortmaßnahmen gefordert werden. Das Welterbe Oberes Mittelrheintal steht in der Risikoliste der Welterbestätten mit dem Hinweis: „Die Alarmschwelle ist überschritten“ (“In proximity of the line, it exceeds the alarm level). Die ICOMOS, die Beratungsgesellschaft der UNESCO, fordert Maßnahmen zur Lärmreduzierung.
Der Verkehrslärm nimmt aber zu
Eisenbahn-Alpen-Transversale
Bevölkerungsentwicklung
Solche Aussichten, niemals endender Schienenlärm, autobahnähnlicher Straßenlärm, Kanalisierung des Rheinquerungsverkehrs, befördern den Trend zum Verlassen des Rheintals, obwohl die Lebensbedingungen am Rhein grundsätzlich gut sind. Es gibt auf beiden Seiten des Rheins ausreichend Arbeitsplätze, die mit kurzen Fahrzeiten oder zu Fuß über die Fähren erreicht werden. Das sind Arbeitsplätze im Tourismus, Handel, im Handwerk und insbesondere im Hotel- und Gaststättengewerbe. Grundsätzlich werden Arbeitnehmer gesucht, nicht Arbeitsplätze. Die einmalige Landschaft bietet gute Gelegenheiten zur Freizeitgestaltung, kulturelle Einrichtungen, ÖPNV und Verkehrsgestaltung sind vorhanden, wenn auch grundsätzlich noch ausbaufähig.
Tatsächlich ist das Mittelrheintal aber einer der Hauptverlierer bei der Bevölkerungsentwicklung mit seit 1970 durchgängig hohen Bevölkerungsdefiziten. Während der Bevölkerungsrückgang im Land RLP bis 2030 (Basis 2010) mit -5,8% noch moderat ausfällt, ist das Mittelrheintal besonders stark betroffen. Das Statistische Landesamt prognostiziert hier einen Rückgang der Einwohnerzahlen von bis zu – 17% z. B. für St. Goar-Oberwesel oder –11% in Boppard. Die Bevölkerungsentwicklung der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt in RLP bis 2030 um – 15 %, im RHK und im Mittelrheintal um -20 %. Lärm dürfe eine wesentliche Rolle beim Einwohnerverlust spielen.
„Wir müssen dringend weg vom Lamentieren und hin zur gezielten Planung der Verkehrsgestaltung am Rhein zugunsten der Menschen, die hier leben und betroffen sind“ fordert Klaus Thomas von der Bürgerinitiative. Wir müssen weg von Schlagworten wie „Die Brücke ist gut für Arbeitsplätze, gut für das Welterbe, gut für die demografische Entwicklung“. Angesichts des tiefen Eingriffs in die Lebensbedingungen der Menschen am Rhein sind solche Hinweise zwingend zu konkretisieren: Wer schafft wann wo, konkret wie viele Arbeitsplätze, womit werden von wem konkret welche Lebensbedingungen wie verändert, wer stoppt konkret die negative Bevölkerungsentwicklung und wie wird konkret die Umkehr der demografischen Entwicklung mit dem Bau einer Brücke bewirkt.
Weg mit den nicht bindenden Absichtserklärungen, weg mit den leeren Behauptungen, hin zum Mobilitätskonzept. Das Mobilitätskonzept muss ganz schnell kommen, damit die verkehrliche Zukunft zugunsten der Menschen am Rhein endlich auf der Basis realistischer Erkenntnisse angefasst werden kann. Es ist das dringend benötigte Fundament für Planungssicherheit.
Zweifelhafter Nutzen einer Brücke
Eine Brücke über den Rhein wird mindestens 100 Mio. Euro kosten. Die Gemeinschaft soll das Geld aufbringen. Es darf aber nur dann dafür aufgewendet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es der zukunftsorientierten Entwicklung der Region zum Wohle der Menschen, der Landschaft und dem Erhalt und der Weitergabe kultureller Güter dient. Bahnlärm, zusätzlicher autobahnähnlicher Straßenlärm, Wegfall der Fähren und die Aussicht auf eine Kanalisierung des Rheinquerungsverkehrs lassen da erhebliche Zweifel aufkommen.
Die Region entwickelt sich, wenn in die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen hier investiert wird. Insbesondere junge Menschen sind mit diesem Geld zu fördern. Deren Lebensansprüche sind attraktiv zu gestalten, auf deren Bedürfnisse ist einzugehen. Also Stärkung und Förderung von Familien mit Kindern, Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztagsschulen) ,Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sichern, vor allem in ländlichen Regionen: die medizinische Versorgung aufrechterhalten, Sicherung des Vereinslebens, Erhalt von Dorfläden und Kneipen, Sicherung und Ausbau des ÖPNV-Netzes in der Fläche, Anbindung an moderne Kommunikationssysteme und insbesondere auch für die Reduzierung des Verkehrslärms.
Das Ziel von Planungen für die Menschen am Rhein darf nicht darin bestehen, dass sie mit dem Kfz über eine Brücke auf die andere Rheinseite fahren um festzustellen, dass auch dort keine Infrastruktur mehr vorhanden ist.
Seit Jahrhunderten haben sich die Verkehrsbedürfnisse, die Verkehrsarten und die Verkehrsströme am Mittelrhein immer wieder verändert. Die Verkehrsträger sind jedoch grundsätzlich erhalten geblieben: Straße, Schiene, Fähre. Diese so gewachsene Verkehrsstruktur ist absolut zukunftsfähig, sie muss als Rückgrat der verkehrlichen Zukunft am Rhein erhalten bleiben und ausgebaut werden.
Die BI Rheinpassagen und der VCD fordern die sofortige Verbesserung der Querungsmöglichkeiten, das heißt
- 24h-Fähre (mindestens 1)
- Senkung der Tarife (mindestens für Anwohner), besser noch: Kostenfreie Fähren
- Verbesserung der Anbindung der Fähren an den ÖPNV
- Bessere Vermarktung ders Fährverkehrs
Eine Autobahn am Rhein? Niemals!
In voller Übereinstimmung mit den Zielen der UNESCO fordert die BI Rheinpassagen und der VCD, das Welterbe Oberes Mittelrheintal unversehrt an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Verkehrslärm gefährdet den Welterbetitel. Was wird aus dem Mittelrheintal ohne Welterbe?
BI Rheinpassagen - Klaus Thomas (Mainzer Str. 55, Tel.: 06742-9381281 56154 Boppard), Mario Pott (VCD), Elke Greiff-Gossen und Otto Schamari (beide BI Rheinpassagen)